Oftmals stellt sich bei der Gründung einer AG oder GmbH die Frage, wo diese ihren rechtlichen Sitz oder ihr Domizil haben soll. Wird dieser Thematik nicht die gehörige Sorgfalt gewidmet, kann dies juristisch und wirtschaftlich schmerzhafte Erfahrungen nach sich ziehen.BeispielHans Meier wohnt in Altstätten SG und arbeitete als langjähriger IT-Spezialist einer Grossbank in Zürich. Vor rund acht Jahren hat sich Hans Meier selbständig gemacht. Dafür gründete er die Meier Consulting GmbH und arbeitete fortan mehrheitlich von Zuhause aus. Der damals beigezogene Treuhänder Urs Pfiffig hatte ihm empfohlen, den Sitz der Meier Consulting GmbH am Ort des Treuhandbüros, in Appenzell AI, zu errichten. Die Meier Consulting GmbH bezahle weniger Steuern, Hans Meier müsse sich um nichts kümmern, die Post werde direkt vom Treuhänder verarbeitet und die Buchhaltung sowie Steuererklärung jedes Jahr vom Treuhänder erstellt. Dies war die damalige Beratung und für die folgenden acht Jahre bezahlte die Meier Consulting GmbH die Gewinnsteuern ordentlich im Kanton AI. Vor einiger Zeit wurde das Kantonale Steueramt St. Gallen auf diese «Steuerplanung» aufmerksam. Nach intensiver Prüfung sämtlicher Tatsachen stellte es fest, dass das Steuerdomizil der Meier Consulting GmbH tatsächlich in Altstätten SG, am Wohnsitz von Hans Meier, liegt. Daraufhin erhob das Kantonale Steueramt St. Gallen bei der Meier Consulting GmbH rückwirkend für alle bisherigen acht Geschäftsjahre nochmals die Gewinnsteuern.
Zivilrechtliche Betrachtung
Bei jeder AG oder GmbH gilt als Sitz grundsätzlich der Ort, wo die Verwaltung der Unternehmung geführt wird. Das Rechtsdomizil ist die Adresse, unter der die Gesellschaft an ihrem Sitz erreicht werden kann. Als Rechtsdomizil gilt die eigene Adresse, über welche die Gesellschaft mit einem Rechtstitel (z.B. Eigentum, Miete, Untermiete) verfügt («eigene Büros»), oder die Adresse eines Domizilhalters (c/o-Adresse/Postfachadresse). Eine Postfachadresse stellt kein rechtmässiges Domizil dar. Hat die Gesellschaft eine c/o-Adresse, so ist mit der Anmeldung zur Eintragung eine Erklärung der Domizilhalterin oder des Domizilhalters als Beleg einzureichen. Liegen wie im vorliegenden Beispiel Umstände vor, die den Anschein erwecken, dass die angemeldete eigene Adresse in Wirklichkeit eine nicht deklarierte c/o-Adresse ist, kann das Handelsregister die Gesellschaft auffordern entweder Belege für die eigene Adresse, insbesondere Mietverträge bzw. Grundbuchauszüge, oder eine Erklärung der Domizilhalterin oder des Domizilhalters einzureichen.
Steuerrechtliche Betrachtung
Eine AG oder GmbH begründet dort ihr Steuerdomizil, wo sich ihr Sitz oder der Ort der tatsächlichen Verwaltung befindet. Wenn der statutarische Sitz bloss formelle Bedeutung hat, wenn er gleichsam künstlich geschaffen wurde und in einem anderen Kanton ein Ort gegenübersteht, wo die normalerweise am Sitz sich abspielende Geschäftsführung und Verwaltung besorgt wird, dann greift das interkantonale Steuerrecht resolut durch. Ein derartiges der wirklichen Situation nicht angepasstes sogenanntes «Briefkastendomizil » liegt vor, wenn sich am statutarischen Sitz weder die Leitung noch Geschäftseinrichtungen (Büroräumlichkeiten, unternehmerische Infrastruktur, Personal etc.) befinden, sondern hier ein Beauftragter – z.B. ein Treuhänder – im Wesentlichen der Unternehmung seine Geschäftsadresse zur Verfügung stellt und allenfalls die für diese bestimmten Telefonate und Post entgegennimmt, verarbeitet oder weiterleitet. Das Steuerdomizil derartiger Gesellschaften befindet sich aufgrund einer natürlichen Vermutung grundsätzlich immer dort wo sich der Gesellschafter und Geschäftsführer in der Regel aufhält. Dies ist zumeist der persönliche Wohnsitz und nicht etwa der Ort der tatsächlichen Verwaltung durch den Treuhänder.
Im Beispielfall hat die Meier Consulting GmbH den Anschein einer Briefkastenfirma beim Kantonalen Steueramt St. Gallen erweckt und erhält nach rund acht Jahren die Aufforderung, sie solle doch den Nachweis des Steuerdomizils im Kanton AI antreten. Dieser Nachweis misslingt. Daraufhin wird ein Steuerdomizilentscheid erlassen und im Anschluss daran ein Steuerveranlagungsverfahren seit dem Gründungsjahr (maximal zehn Jahre zurück möglich) durchgeführt.
Fazit und Empfehlung
Hans Meier hat für die Gründung der Meier Consulting GmbH einen Treuhänder beigezogen und somit die notwendige Sorgfalt walten lassen. Dass Urs Pfiffig nicht ganz so «pfiffig» unterwegs ist, kann wohl kaum Hans Meier vorgeworfen werden. Ganz nach dem Motto «Guter Rat ist teuer, schlechter Rat ist unbezahlbar» ändert dies nichts an der Pflicht der Meier Consulting GmbH, die Gewinnsteuern zweimal zu bezahlen. Ob die Möglichkeit der Rückerstattung der bereits bezahlten Steuern im Kanton AI überhaupt besteht, kann abschliessend nur in einem aufwendigen Steuerrechtsverfahren geklärt werden. Die Erkenntnis, dass Hans Meier wohl einen Haftpflicht-Anspruch gegen Urs Pfiffig hat, ist letztlich nur ein kleiner Trost.

Autorin
Anna Kobel
Dipl. Steuerexpertin at ag rechtsanwälte und steuerexperten
St. Gallen

Autor
Armin Thaler
Rechtsanwalt, Dipl. Steuerexperte at ag rechtsanwälte und steuerexperten
St. Gallen